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X-Tutorial: Digitale Transformation der Gesundheitsämter in der Krise

Studierende aus dem X-Tutorial vor dem Henry-Ford-Bau

Studierende aus dem X-Tutorial vor dem Henry-Ford-Bau

Studierende aus dem X-Tutorial beim Brainstorming im Hörsaal

Studierende aus dem X-Tutorial beim Brainstorming im Hörsaal

Besuch der re:publica 2022. Slide aus dem Vortrag “Pandemie des digitalen Scheitern und neuer Hoffnung” von Bianca Kastl

Besuch der re:publica 2022. Slide aus dem Vortrag “Pandemie des digitalen Scheitern und neuer Hoffnung” von Bianca Kastl

Mit Beginn des Wintersemesters 2022/23 neigt sich ein einjähriges Experiment einem erfolgreichen Ende zu: Ein im Fachbereich Wirtschaftsinformatik verankertes studentisches Forschungstutorium der Berlin University Alliance, ein sogenanntes X-Tutorial. Jedes Semester fördert die Berlin University Alliance acht solcher Tutorials, in denen Studierende der Berliner Universitäten ein eigenes Tutorium planen und durchführen – von Studierenden für Studierende. Dabei durchlaufen die Studierenden gemeinsam ein Forschungsprojekt, welches eine übergeordnete Forschungsfrage multidisziplinär beleuchten soll. Im Wintersemester 2021/22 und im Sommersemester 2022 stellten sich die Wirtschaftsinformatik-Studentinnen Laura von Welczeck und Nina Schlömer unter der Betreuung von Prof. Dr. Martin Gersch und mit der Unterstützung ihrer Co-Tutor:innen Alessia Nowak und Moritz Voit der Frage: Welche Spannungen lassen sich in der digitalen Transformation der deutschen Gesundheitsämter beobachten – und welche Lösungen können diesen Spannungsfeldern entgegengesetzt werden?

Denn während die COVID-19-Pandemie mittlerweile medial in den Hintergrund gerückt ist, sind viele Probleme, die die Krise offengelegt hat, immer noch ungelöst. Dazu gehört zweifellos die Arbeit der deutschen Gesundheitsämter: vor der Pandemie nur wenig öffentlich beachtet, kam ihnen im Frühjahr 2020 plötzlich die Aufgabe zu, COVID-19-Infektionen zu melden und Kontaktketten zu unterbrechen. Das Melden und Unterbrechen von Infektionen war für Gesundheitsämter zwar keine neue Aufgabe, doch die hohe Infektiosität des SARS-CoV-2-Virus rief bereits in der ersten Welle Fallzahlen hervor, die die ca. 375 deutschen Gesundheitsämter nicht mehr bewältigen konnten. In der medialen Berichterstattung über diese Überforderung wurde nicht zuletzt die fehlende digitale Reife der Gesundheitsämter diskutiert. Fehlende oder mangelhaft interoperable digitale Lösungen führten zu Zeitverzögerungen, Informationsverlust und überflüssigem Dokumentationsaufwand in der Pandemiebekämpfung. Während sich darin bereits verschiedene Spannungsfelder in der Digitalisierung der Gesundheitsämter abzeichneten – von arbeitspsychologischen Aspekten in der alltäglichen Arbeit der Mitarbeiter:innen bis zu (gesundheits-)politischen Aspekten des Föderalismus und des Subsidiaritätsprinzips in Deutschland – beschränkte sich die öffentliche Aufarbeitung der Problematik stattdessen oft auf Anekdoten über Faxgeräte.

Laura von Welczeck, Nina Schlömer, Alessia Nowak und Moritz Voit nahmen sich vor, genau diese Lücke transdisziplinär zu erforschen. Anstatt mögliche Rahmungen für Spannungen nur aus der Wirtschaftsinformatik heranzuziehen, trafen sie im Wintersemester im X-Tutorial auf Studierenden verschiedener Disziplinen von Gesundheitswissenschaften bis Informatik – und damit auch auf verschiedene Hintergründe und Kenntnisse. In vier Kleingruppen lernten  die Studierenden zunächst, eigene Forschungsfragen und Hypothesen zu entwickeln, um diese anschließend in insgesamt acht qualitativen Interviews mit Gesundheitsamt-Mitarbeiter:innen und Expert:innen zu validieren. Dabei fokussierten sich die Gruppen beispielsweise auf Einflussfaktoren der Technologieakzeptanz, auf veränderte Arbeitsanforderungen und Ressourcen in den Gesundheitsämtern oder auf Stakeholder-Zielkonflikte im ÖGD. Gemeinsam erlauben die Beiträge einen ersten Einblick auf die Spannungsfelder, die die digitale Transformation der Gesundheitsämter prägen.

Erste Lösungsansätze für diese vielfältigen Spannungsfelder wurden anschließend in der zweiten Hälfte des X-Tutorials im Sommersemester 2022 entwickelt. Neue Studierende brachten dabei frischen Wind in die Forschungsgruppe, während alte Studierende ihre Erfahrungen aus dem ersten Semester einbringen konnten. Basierend auf den identifizierten Spannungsfeldern aus dem Wintersemester verwendeten sie Design Science Research-Methoden, um in interdisziplinärer Teamarbeit nutzer:innenorientierte Lösungskonzepte für Teilprobleme in der Digitalisierung der Gesundheitsämter zu entwickeln. Inspiration sammelten die Teilnehmenden des X-Tutorials unter anderem durch einen gemeinsamen Besuch der re:publica 2022, wo sie Vorträge zu Geschichten aus der Impfkabine oder der Pandemie des digitalen Scheiterns besuchten. Entlang des Design Science Research-Prozesses entwickelte eine Gruppe einen Prototypen für eine App, die die Gesundheitsämter bei der Vermittlung und Schulung von neuem Personal unterstützen soll, während eine andere Gruppe ein Reifegradmodell für die Evaluation der Benutzer:innenfreundlichkeit der Websites der Gesundheitsämter entwickelte. Die dritte Gruppe nahm sich der “Schnittstellenkrise” zwischen verschiedenen IT-Systemen im ÖGD an und entwickelte ein Konzept für einen Prozess, der zu mehr Interoperabilität zwischen ÖGD-Akteur:innen führen soll. 

Das X-Tutorial war nicht nur für viele teilnehmende Studierende die erste Erfahrung mit wissenschaftlichen Arbeiten und Methoden, sondern auch das erste Mal, dass das neue Lehrformat der Berlin University Alliance im Fachbereich Wirtschaftswissenschaft durchgeführt wurde. Die vergangenen zwei Semester können damit als erfolgreicher Auftakt für das Lehrformat gewertet werden.

Interessierte können sich die Konzeption, Durchführung und Evaluation des Forschungstutoriums genauer ansehen, denn aktuell ist ein  Forschungsposter zum X-Tutorial im Hörsaaltrakt des wirtschaftswissenschaftlichen Fachbereichs ausgestellt. Außerdem haben Laura von Welczeck und Nina Schlömer auf der Podiumsdiskussion “Wissenschaft und ihr Austausch mit der Gesellschaft – Die Rolle studentischer Forschung” auf der Berlin Conference for Student Research (StuFO 2022) von ihren Erfahrungen mit interdisziplinärer studentischer Forschung erzählt. Weiterhin ist das Projekt Teil der Fotoausstellung “Blickwinkel – künstlerische Eindrücke aus der Berliner Wissenschaft”, welche Forschung zu Corona aus dem Berliner Raum unter die Linse nimmt. Ebenfalls im Rahmen der Berlin University Alliance berichten sie in einem Film über Erkenntnisse aus dem X-Tutorial, der in den nächsten Monaten auf dem YouTube-Kanal der Berlin University Alliance, “Wissen aus Berlin”, erscheint.

Bei Rückfragen zum X-Tutorial und zu Inhalten melden Sie sich gerne bei Laura von Welczeck (laura.welczeck@fu-berlin.de) oder Nina Schlömer (nina.schloemer@fu-berlin.de). Beide geben auch gerne Hilfestellung bei der Bewerbung auf ein X-Tutorial.

Projektlaufzeit:

10/2021 - 10/2022

Ansprechpartner:innen:

Tutorinnen: Laura von Welczeck, Nina Schlömer,

Betreuner: Prof. Dr. Martin Gersch

Projektbudget:

Förderung des Tutoriums durch die Berlin University Alliance

Projektpartner:

Projekte ReDiGe und EvalDiGe in Kooperation mit der Projektgruppe Wirtschaftsinformatik des Fraunhofer-Instituts für Angewandte Informationstechnik FIT und der Forschungsgruppe Digital Health der TU Dresden
Competence Center E-Commerce
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CCEC-Online
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Department Wirtschaftsinformatik